26

April

Die ewige Hexe

oder Nieder mit dem Glück der Unterwerfung
„Immer noch werden Hexen verbrannt auf den Scheiten der Ideologien, Irgendwer ist immer der Böse im Land und dann kann man als Guter und die Augen voll Sand in die Heiligen Kriege ziehn!" (Konstantin Wecker)
Die Produktion von Feindbildern als systemstabilisierende Größe führte und führt zur Entwicklung immer neuer Verfolgungs- und Liquidierungstechniken. Die mittelalterliche Hexenverfolgung, ein Glied der Kette des von den jeweils Herrschenden sanktionierten und organisierten Verbrechens gegen ethnische, religiöse oder politische Minderheiten, ist die Grundlage dieser Straßentheateraktion. Hexen wurden durch die Straßen gezerrt, zur Stätte ihrer öffentlichen Hinrichtung: Dieser Weg durch die Straßen der Stadt, über Plätze, vorbei an den Menschen ist das Thema der Inszenierung. Die Hexe, durch ihr feuerrotes Gewand und hohe Stelzen aus dem übrigen Zug herausgehoben, befindet sich in der Gewalt der Ausführungsorgane des Systems; zwei Schergen halten sie an Ketten, die um ihren Hals liegen, Trommler bahnen den Weg und demonstrieren akustisch und tänzerisch die Macht und die Vehemenz des kollektiven Hasses der moralischen Mehrheit; Klageweiber folgen dem Zug. An der Spitze schreitet eine weißgekleidete Figur, die in einem Gefäß Weihrauch schwenkt.
Sie - machtvoll und ohne sich selbst aktiv einzumischen - bestimmt die Stationen des Weges, bestimmt Anfang, Art und Ende des Vorgehens der Schergen und Trommler gegen die Hexe. Ziel dieser Aktionen ist deren Demütigung, das Brechen ihres Widerstandes, ihre nicht nur körperliche Hinrichtung. So wird der langsam durch die Straßen sich fortbewegende Zug häufig durch Zeichen der weißgekleideten Gestalt zum Halten veranlaßt. Die verschiedenen Versuche der Demütigung scheitern: Die Hexe ist als Prinzip geistigen, moralischen, persönlichen Andersseins nicht brechbar.

Text folgt