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April

GOETHE FAUST EINS. EINE ATTACKE

In Koproduktion mit dem Künstlerhaus Mousonturm (Frankfurt)
Diese außergewöhnliche, humorvoll unterhaltsame Inszenierung ist eine Attacke auf einen deutschen Text, von dem das deutsche Theater nicht lassen kann und dem deutsche Regisseure (Regisseurinnen kaum oder gar nicht) immer wieder neue Facetten abringen. Dies gilt vor allem im Hinblick auf den Protagonisten Dr. Faust - nicht nur der Prototyp des deutschen Mannes, sondern Verkörperung des Menschen, ja, allumfassender Repräsentant der Menschheit überhaupt - eine Bühnenfigur, die in der Theatergeschichte durch Höhen und Tiefen, Flug und Fall, Parodie und tiefe Bedeutung getrieben wurde. Dieser interpretatorischen Vielfalt steht nun seit alters her die Einfalt der Gretchenfigur bescheiden gegenüber. Gretchen blieb aufführungsgeschichtlich das, was sie immer war: eine kleinbürgerliche Hüttenexistenz, beschränkt (aber hübsch), kindlich, schlicht, anspruchslos (aber verführbar), opferbereit, emporgehoben durch die Liebe eines Mannes, an der sie verglühen darf - eine seit 175 (!) Jahren konservierte, in Knittelverse eingesperrte Männerphantasie, Fiktion eines "Herrenschreibers", dessen männlichen Überlegenheitsanspruch das Theater zu verewigen droht. Ziel der Inszenierung ist es, ein Sprachfest zu veranstalten, die geschlechtsspezifischen Rollenfestschreibungen aufzubrechen, den Textbrocken "Faust" auseinanderzusprengen. Vier Schauspielerinnen und vier Schauspieler werden einen "Hexensabbat der Worte" feiern und Goethes Text solange hin- und herjagen, bis ihm die Sinne schwinden, und er nicht mehr weiß, ob er männlich oder weiblich ist.
Wir sind angeregt durch Franz Kafka: Ich träume, daß ich Goethe deklamieren höre, mit einer unendlichen Freiheit und Willkür. (Franz Kafka, Reisetagebuch, 10. Juli 1912)