KUNST UND CARE WORK darf kein Widerspruch mehr sein! Careworker*innen aller Bundesländer: Solidarisiert euch!

Das flausen+bundesnetzwerk fordert andere Arbeitsbedingungen für care worker*innen im (freien) Theaterbetrieb.
Es besteht dringend Nachholbedarf: Die Freie Szene befindet sich insgesamt in einem Rückstand, was die Berücksichtigung von Künstler*innen mit Kindern oder Pflegebedürftigen angeht. Kinder/zu Pflegende werden im Kunstprozess oft nicht mitgedacht.1 Sowohl auf organisatorischer als auch struktureller Ebene und auf der Ebene des Miteinanders. Es ist in der Sparte nicht selbstverständlich, dass ein diskriminierungsfreier Umgang mit Elternschaft praktiziert wird.
Entgegen einer häufig anzutreffenden Haltung, bestehen wir darauf zu sagen:
Elternschaft ist kein privates Problem! Care work ist ein positives Element in der Arbeitswelt. Wir wollen im Freien Theater ein Modell leben, das Vorbild für Gesellschaft ist und ihr nicht hinterherhinkt.
Wir sind nicht flexibel. Nicht zu den gegebenen Bedingungen. Wir sind nicht arbeitsfähig unter den gegebenen Umständen!
Die herrschenden Arbeitsbedingungen müssen sich ändern. Die Lösung kann nicht sein, dass Künstler*inneneltern  vom Arbeitsmarkt verschwinden, weil sie als Pflegende
aus dem Markt herausfallen.
Das Bundesnetzwerk flausen+ (young) artists in residence
hat beim diesjährigen flausen+ festival in Bielefeld (4.-7.10.2018), bei einer Zusammenkunft von Künstler*innen, Missstände im Theaterbetrieb und fortwährende Diskriminierung von Künstler*innen mit zu pflegenden Angehörigen festgestellt und erörtert. Wir sehen es nicht ein, kinderlos zu bleiben, Pflegefälle in der Familie zu vernachlässigen oder unseren Beruf als Theatermacher*innen aufgeben zu müssen und sind zu folgendem Katalog an Forderungen gekommen:
Wir appellieren an die freie Szene, die Spielstätten, die Förderinstitutionen von Bund und Ländern und den Bundesverband für freie darstellende Künste:
+ Theater und Spielstätten müssen familienfreundlicher werden: Sie müssen Teil von Tagesmütternetzwerken werden, sich bei Kitas nach temporären Plätzen erkundigen und finanzielle Unterstützung für Betreuungsbedürfnisse beantragen können.
+ Spielstätten müssen über bauliche Veränderungen nachdenken oder zumindest Raum schaffen, in dem Kinder/ zu Pflegende sich aufhalten können.
+ Schafft ein kinderfreundliches, familienkompatibles Arbeitsumfeld!
+ Wir fordern Rahmenbedingungen, die durchgängige Arbeitsbiographien ermöglichen – trotz care work!
+ Wir fordern Handlungsanweisungen an die Politik, die die Absicherung von Familienkom- patibilität finanziell und solidarisch gewährleistet!
+ Wir fordern für Theaterbetriebe die Einführung des Siegels “familienfreundlich“, wenn entsprechende Bedingungen dafür geschaffen werden, dass Künstler*innen mit Kindern oder zu pflegenden Angehörigen an diesem Ort arbeiten können.
+ Bei Gastspielen und Produktionen auswärts, Residenzen und Stipendien mit Präsenz- pflicht müssen Eltern, Kinder, zu pflegende Familienangehörige mitgedacht und ein angemessener Umgang mit der Situation gefunden werden.
+ Wir fordern einen runden Tisch von Vertreter*innen der Kultur und Politiker*innen, die uns als Expert*innen in diesem Vorhaben unterstützen!
+ Wir brauchen Förderbedingungen und -richtlinien, die auf Vereinbarkeit von Familie und Beruf überprüft werden.
+ Es müssen in Bund, Ländern und Gemeinden Fördertöpfe geschaffen werden, die Ext- rakosten für die Betreuung von Angehörigen (während der Proben- und Aufführungszei- ten), Reisen zur Familie während einer Produktion, Unterkünfte für Begleitpersonen etc. finanzieren! Künstler*innen können von den geringen Gagen, die sie bekommen all das NICHT finanzieren, denn ihre Arbeitssituation ist ohnehin prekär und mit der zusätzlichen Belastung verschwinden sie so vom Arbeitsmarkt.
+ Wir fordern, das Thema Familienfreundlichkeit endlich ins Zentrum der Diskussion zu stellen, es muss raus aus der Peripherie der Sozialdebatten!
  für das flausen+bundesnetzwerk
  Carolin Millner und  Katrin Hylla
1 Wir sprechen in diesem Text nicht nur Eltern an, sondern auch alle Careworker*innen, die einen Familien- angehörigen/Partner*in pflegen