18

April

Hinter Glas

Frei nach Motiven des Films „Lornas Schweigen“ der Brüder Dardenne
„Wer die Voraussetzungen für das Recht auf Asyl erfüllt, kann bleiben. Wer die Voraussetzungen nicht erfüllt, soll unser Land wieder verlassen. So einfach ist das. Und am besten kommt er gar nicht erst, wenn von vorn herein klar ist, dass er höchstwahrscheinlich wieder zurück muss.“ (Thomas de Maizière, Bundesinnenminister, Mai 2016) „Geld knüpft Beziehungslosigkeit zwischen Menschen.“ (aus: M. Frölich/ R. Hüser Hg., Geld und Kino, 2011)
Warum entscheiden sich die Leute heutzutage zu heiraten, hier in Deutschland? Immerhin leben wir in der Epoche der totalen Freiheit, auch der sexuellen Freiheit, – mittendrin in diesem faszinierenden Strom. Warum also heiraten? Aus Traditionspflege? Aus religiösen Gründen? Aus Angst? Aus praktischen oder wirtschaftlichen Gründen? Oder doch aus Liebe? Es gibt so viele Gründe zu heiraten. Und manche heiraten eben, um woanders hinzukommen, irgendwohin, wo es besser ist als in der Heimat. Wie Delia. Delia kommt aus einem Land außerhalb der europäischen Union, einem sogenannten Drittland. Für Delia war heiraten wie einen Vertrag unterschreiben, den Vertrag, in Deutschland bleiben zu dürfen. Was wäre ihr auch anderes übrig geblieben? Ihre Chancen, hier Asyl gewährt zu bekommen, waren gleich Null und eine arrangierte Ehe die einzige Option, die ihr eine Bleibeperspektive versprach. Also heiratet sie Erik, gegen Bezahlung, versteht sich. Nichts ist umsonst auf dieser Welt. Schon gar nicht das Glück. Erik ist Deutscher und drogenabhängig. Seine Verfassung so zerbrechlich wie die ihre. Eine zeitlang läuft alles gut, alles ist perfekt organisiert, ihre Ehe ein wohl kalkulierter Deal, kalt und berechenbar wie das Geld. Doch dann kommen Gefühle ins Spiel, werden Grenzen überschritten, die die fragile Konstruktion ins Schwanken bringen. Delia gerät plötzlich in eine tragische Situation, die sich immer auswegloser zu entwickeln scheint…
Die Theaterperformance „Hinter Glas“ spielt an den Rändern der Gesellschaft, zielt aber genau in ihre Mitte. Die beiden Hauptfiguren Delia und Erik sind Eingeschlossene, räumlich, ökonomisch, sozial. Die Performance stellt ihr Eingeschlossensein unter Beobachtung. Mitten in der Stadt leben sie in ihrer Wohnung, einem nüchtern-schmucklosen Refugium, wie in einer Parallelwelt. An der Grenze zwischen Dokumentation und Fiktion, zwischen öffentlichem und privatem Raum treffen Schauspieler und Publikum hautnah aufeinander. Wie durch ein Vergrößerungsglas werden die Zuschauer hineingezogen in den prekären Mikrokosmos zweier Menschen, in dem Moral und Gefühle Angelegenheiten sind, die man sich leisten können muss. Es geht um Migration, den Traum von einem besseren Leben und die Frage, wie viel es kostet, dazuzugehören.