FÜR DICH FÜR DICH FÜR DICH Rückblick

Am letzten Wochenende (22. & 23.10.2021) haben wir den zweiten Teil unseres FÜR DICH FÜR DICH FÜR DICH Festivals gefeiert und bedanken uns herzlich bei allen Beteiligten: äöü mit der Premiere von „These are a few of my favorite things“ war ein voller Erfolg bei vollem Haus.
Carola „tarotari“ Lehmann hat mit ihrem „Activist Tarot“ spannende Eins-zu-Eins-Performances in der Baari Bar gezeigt.
Am Samstagabend haben Petra Weimer, Andrea Leonetti und Gast Jürgen Kärcher mit ihrem „2 dirty cool old women research project“ gezeigt, wo der performative Hammer hängt: Bei der Repräsentation von Körpern, die nicht durch junge normästhetische Körper ersetzt werden müssen oder sollten.
Und als abschließendes Highlight haben Ragni Halle, Jakob Schnack Krog, Gregers Krogsleiven-Hansen & Simon Zeller mit „Happy happy vineyards“ eine herzerfrischend lustige und aufrüttelnde Performance gezeigt, die hier wohl nur ihren Anfang nehmen sollte. 

Petra Weimer über „Activist Tarot“

„Activist Tarot“ ist eine inspirierende Aktion und gefällt mir auch aufgrund der direkten 1:1 Form. Anhand der Karten kann man als Besucher*in Geschichten erzählen und auf neue Ideen kommen – gemeinsam mit Carola „tarotari“ Lehmann. Sie ist eine sehr aufmerksame Zuhörerin und hat mich auf echt brauchbare neue Ideen gebracht.

Carola Lehmann über „2 dirty cool old women research project“

„TWO DIRTY OLD COOL WOMEN RESEARCH PROJECT“ ist ein kraftvoller Ritt durch die alltäglichen Bezugspunkte der beiden Performerinnen, ist Anklage, feministische Aktion und die Zelebration einer Freundinnenschaft.
„Wie gehen eigentlich renommierte, feministische Künstlerinnen mit dem Altern ihres eigenen Körpers um?“ fragen die beiden Performerinnen.
Eine bekannte Künstlerin (diskret werden keine Namen genannt) will ihre früheren Performances nun erneut auf die Bühne bringen, ohne selbst zu performen. Also werden von ihr junge Frauen ins Performancefeld geschickt. Junge Körper, die tadellos funktionieren, wenn es darum geht, Schönheitsideale zu bedienen. „Ach!“ rufen die dirty old women, „wie kann es sein, dass eine Performerin dann doch auf ihre alten Tage einknickt vor abgedroschenen Körperidealen?“ Und weil die beiden sich als „old women“ bezeichnen, machen sie sich gleich daran, mit ihren „gealterten“ Körpern einen Klassiker der feministischen Performance zu reenacten: Leonetti schnallt sich einen umgebauten Karton vor die Brüste und zeigt sich als Valie Export, die 1968 Passant*innen auf der Straße anbot, ihren nackten Oberkörper anzufassen. Die Zuschauer*innen in Marburg erleben intime Begegnungen mit Leonetti, die sie bisweilen mit einem harschen „jetzt reicht’s“ beendet.
„TWO DIRTY OLD COOL WOMEN RESEARCH PROJECT“ ist womensplaining im besten Sinne.
Die Online-Begegnungen der beiden Frauen während der Lockdownzeit breiten sich jetzt auf der Bühne aus. Lockdown hat hier eine Gegenbewegung und damit eine Öffnung bewirkt: Wir erfahren, dass die beiden Performerinnen sich im lockdown allabendlich über Zoom trafen, gegen 18 Uhr, zur besten „Aperitivzeit“, wie es heißt und Ideen austauschten. Sie beschließen, dass sie jetzt endlich mal Kickboxen und den japanischen Butoh lernen. Sie engagieren Lehrer*innen und begeben sich online auf die Suche nach neuen Erfahrungen.
Ein Mann ist mit auf der Bühne, er wird jedoch in der Ankündigung als „Gast“ bezeichnet. Er redet nie, er spielt Gitarre. Oder raucht Zigaretten. Einmal wagt er einen Tanz.
„TWO DIRTY OLD COOL WOMEN RESEARCH PROJECT“ ist ein fröhliches Aneignen und reenactment der Klassikerinnen feministischer Performance.
Auf der Bühne wird Alkohol getrunken. Es handelt sich um richtigen Weißwein, das weiß ich, denn ich habe die geschlossenen Flaschen, die jetzt auf der Bühne stehen, zuvor im theatereigenen Kühlschrank gesichtet. Vielleicht, so frage ich mich, ist das ebenfalls eine Referenz auf die Performancegeschichte? Performances mit Selbstversuchen „Wie viel kann ich trinken, und was macht das mit meiner Bühnenwirkung?“ oder „Wie verändert sich die Aufführung, wenn ich 24 Stunden nonstop auf der Bühne bin?“